Der Weg des Kriegers
Der zweite Pfeiler - die innere Sammlung

Die innere Sammlung ist Der zweite wichtige Pfeiler in der Praxis. Die meisten Schicksalswendungen, die man als fatal und unumkehrbar bezeichnet, geschehen nur, weil man nicht innerlich gesammelt ist.

Die Menschen sind nicht ganzheitlich in ihren Handlungen. Der Mensch kann etwas versprechen und das Wort nicht halten. Der Mensch kann etwas anfangen und nicht zum Abschluss bringen. Der Mensch kann einen Entschluss fassen und ihn nicht umsetzen. Das alles zerrt jedoch an den Kräften. Der Mensch steckt eine gewisse Menge an Energie, Aufmerksamkeit und Zeit in seine Handlungen, in seine Entschlüsse und setzt sie dann nicht um. Das heißt, dass alles umsonst verloren geht. Und so lange, bis der Mensch seine Entschlüsse nicht umsetzt, nicht verwirklicht, wird die Energie versickern. Und jeder Mensch hat eine Vielzahl solcher Löcher, in denen all seine Kraft und Energie verschwindet.

Der Mensch kann beliebig lange vor der Entschlussfassung zweifeln. Wenn der Entschluss jedoch gefasst ist, muss er bis zum Ende in die Tat umgesetzt werden.

Niemand zwingt den Menschen einen Entschluss zu treffen. Selbst wenn man sagt, "die Umstände zwingen" oder "jemand hat mich dazu gezwungen", bedeutet es nur, dass der Mensch sich damit einverstanden erklärt hat. Man kann seine Zustimmung passiv äußern, indem man einfach schweigt - und das wird auch Zustimmung sein. Manchmal lässt man sich auf einen Konflikt ein, indem man sagt, dass man dazu gezwungen wurde - und das wird aktive Zustimmung sein. Der Mensch hat zugelassen, dass man mit ihm in einem solchen Ton redet und hat begonnen selbst in diesem Ton zu reden. Das heißt, er hat es zugelassen, dass er so behandelt wird.

Wenn der Mensch jedoch anders zu handeln beginnt, zu handeln nach seinen eigenen Regeln, ohne sich einem fremden Spiel unterzuordnen, wird man einen solchen Menschen nicht manipulieren können.

Aber dafür braucht man die innere Sammlung. Der Mensch muss in seinem Leben aufmerksam sein. Er muss fühlen, wie jemand oder etwas ihn vereinnahmen will. Er darf die Zweifel anderer Menschen nicht in sich lassen. Sobald er merkt, dass da jemand durch eine Entscheidung ihn zu beeinflussen versucht, sollte er das sofort verwerfen. Er sollte sich nur von seiner eigenen Meinung leiten lassen, von der eigenen inneren Stimme - und diese Stimme, sie wird immer da sein.

Der Mensch muss zweifelsohne die Meinung der anderen beachten. Er muss sie berücksichtigen, weil er in der Gesellschaft lebt. Aber der Mensch muss nicht ihr entsprechend handeln. Er kann die Informationen von anderen aufnehmen, ihre Interessen, Gefühle berücksichtigen. Aber er muss seinen eigenen Entschluss fassen.

Und erst dann wird er selbst glücklich sein können. Und nur wenn er selbst glücklich ist, gibt es eine Chance, dass er auch anderen helfen wird.

Andernfalls ist es wie ein Teufelskreis, bestehend aus einer Gesellschaft unglücklicher Individuen. Wie der Begründer der Psychoanalyse Freud sagte: "Meine Wissenschaft ist in der Lage anormal unglückliche Menschen normal unglücklich zu machen". Das ist alles, was die moderne Psychoanalyse leisten kann.

Daher braucht der Mensch inneres Gesammeltsein. Wenn der Mensch dauerhaft innerlich gesammelt ist, gibt es für ihn keine Dinge, die wichtig und unwichtig sind, die überflüssig und nicht überflüssig sind, es gibt nichts Gutes und Böses. Nur ein solcher Mensch ist in der Lage, einen richtigen und ausgewogenen Entschluss zu fassen. Ohne sich dabei von irgendwelchen augenblicklichen Emotionen, Stimmungen oder einer fremden Meinung beeinflussen zu lassen. Ein solcher Mensch wird nur seine eigene Meinung, seine eigenen Einschätzung zugrunde legen.

Denn viele Menschen lassen sich von Information leiten, die sie entweder von Freunden oder Verwandten, also von ihren Respektpersonen, oder aus der Presse beziehen. Doch alle Information aus der Presse ist immer in gewisser Hinsicht ideologisch vorbelastet.

Das konnte man sogar während des bewaffneten Konflikts in Tschetschenien beobachten. Schaut man eine Fernsehsendung aus Ostankino, wurden die Geschehnisse auf eine Art dargestellt. Schaltete man anschließend auf einen ukrainischen Kanal, so wurde alles völlig anders dargestellt. Das heißt, Russland sagt, dass es siegt und dass es ihm gut geht. Und die Ukraine berichtet das Gegenteil: alles schlecht und Russland verliert. In jedem Fall bieten die Massenmedien keine objektive Einschätzung der Lage an. Sie sind immer bestrebt, ihre eigenen Akzente zu setzen.

Sind Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehkanäle kommerziell, verbreiten sie die Moral der sogenannten Marktwirtschaft. So hat jede soziale Gruppe, zum Beispiel eine Religionsgruppe, ihre eigene Moral. Und jeder ist bestrebt, seine eigene Meinung, seine eigene Sichtweise aufzudrängen. Alle Journalisten befinden sich ja auch unter dem Einfluss irgendwelcher Emotionen, Gefühle. Und sie drängen anderen Menschen ihre Meinung auf.

Und man liest in einer Zeitung oder in einer Zeitschrift, dass ein bestimmter Mensch schlecht ist, weil er dies und jenes macht. So beginnt man ebenfalls so denken. Obwohl man den Menschen womöglich nie im Leben gesehen hat und nie sehen wird. Jedoch "weiß" er bereits, dass der da gut ist und der da böse. Weil in einer Zeitung so berichtet wurde.

Das trat insbesondere früher zutage, als es die sogenannte kommunistische Moral gegeben hatte. Damals wurden die gleichen Ereignisse hier und im Westen unterschiedlich dargestellt. Viele Menschen meinten, sie hätten an den Kommunismus geglaubt, hätten die Parolen aufrichtig wiederholt. Das sei deren Leben gewesen. Überall wurde so berichtet, für die Menschen war das eine Religion. Lenin war deren Gott, an die kommunistischen Ideale hat jeder geglaubt, obwohl sie meistens nicht verstanden wurden.

Jetzt, nachdem die Ideale gefallen sind, befinden sich viele in einer spirituellen Leere, die Religion ist ihnen abhanden gegangen. Das Christentum können viele nicht annehmen, weil man im Christentum keine würdigen Lehrer zu finden glaubt. Andere Religionen sind für die Menschen möglicherweise fremd, in kultureller und historischer Hinsicht. Eine Verödung der Gesellschaft war die Folge.

Manche versuchen jetzt einen neuen Gott zu erschaffen. Dieser Gott ist das Geld und der materielle Wohlstand. Aber ich bin nicht sicher, dass das in dieser Region tatsächlich zu einem Gott wird. Noch nie in der russischen Geschichte spielte das Geld eine entscheidende Rolle. Das konnte man bereits früher an den russischen Kaufleuten und Händlern sehen, die Geld verdienen und alles in der gleichen Nacht ausgeben konnten. Das war immer ein traditionell russischer Charakterzug. Noch nie war Geld in Russland ein wichtiges Symbol oder gar Gott - zumindest für die Mehrheit des Volkes.

Das liegt daran, dass das russische Volk stärker im Spirituellen verwurzelt ist als viele andere Völker. Das kann man am Beispiel der amerikanischen Predigern beobachten, die jetzt zu uns kommen. Leicht konnten sie große Menschenmengen sammeln, sie mit "Pralinen" (kostenlosen Bibeln oder etwas ähnlichem) anlocken. Langfristig konnten sie aber die Menschen nicht halten. Weil die Menschen bei ihnen das Wichtigste nicht gefunden haben - die Tiefe und das Verstehen dessen, was sie selbst sagen. Deshalb haben sie aufgehört, diese Veranstaltungen zu besuchen. Das heißt, das ist bei den Massen nicht angekommen.

Es hat auch viele unserer eigenen Propheten in Russland gegeben. Aber auch das ist bei den Menschen nicht angekommen. Das bedeutet, es ist zwar möglich, das Interesse der Menschen für etwas zu wecken, zum Beispiel durch ein buntes Bild oder Fernsehspot, so dass sie auch ein paar Veranstaltungen besuchen. Aber den Menschen wird sehr schnell klar, ob sie das wirklich brauchen. Und dann lassen sie es einfach. Deshalb ist es sehr schwierig, gerade das russische Volk mit einer Religion zu täuschen.

Hier schaut man vor allem auf die Persönlichkeit, auf die, die führen. Man kann die Menschen kaum mit irgendwelchen Büchern oder Konzepten täuschen. Man durchschaut die Führer sehr schnell: was sie selbst können oder wie tief deren eigenes Verstehen ist.

Und wenn man Prediger sieht, die nur wie Schauspieler im Fernsehen arbeiten, gibt es kein Vertrauen zu ihnen.

Deshalb sind die Menschen jetzt in so eine moralische Schieflage geraten. Ihnen ist jegliche Moral abhandengekommen. Aber viele brauchen gerade sie, eben dieses Fundament - die richtige Bestrebung, die richtige Richtung. Und jetzt wissen die Menschen nicht, wohin sie gehen, wie sie zu diesen oder jenen Dingen stehen sollen.

Früher hat man die Leute, die ihren Lebensunterhalt nur durch den Weiterverkauf von Waren verdient haben, Spekulanten genannt. Eine solche Beschäftigung galt als verwerflich. Jetzt werden solche Leute hoch geschätzt, man nennt sie Geschäftsleute oder Sponsoren. Viele Menschen sind dadurch verwirrt: etwas im Inneren sagt ihnen, dass solche Leute nicht ehrlich und anständig sein dürften, jedoch werden sie mit großem Respekt behandelt.

Viele Menschen wissen inzwischen gar nicht, wie sie zu den meisten Dingen im Leben stehen sollen. Deswegen hat sich deren Gefühl für das Spirituelle abgestumpft. Es ist derzeit sehr stark abgestumpft, so dass viele Menschen es inzwischen als ganz normal empfinden, wenn beispielsweise an der Fassade einer der angesehensten Hochschulen von Charkov ein riesiges Aushängeschild "Fleischwaren" hängt und erst darunter - ganz klein - "Universität so und so". Heute sieht keiner darin etwas Schreckliches. Doch ich kann mir vorstellen, dass nur zehn Jahre früher die Menschen empört wären, wenn sie so etwas am Tempel der Wissenschaft gesehen hätten. Und heutzutage gehen alle Menschen ruhig vorbei, sagend "na ja, die Uni muss ja Geld verdienen, etwas vermieten". Aber die Moral hat sich dadurch jetzt extrem verändert.

Daher finden die Menschen es jetzt ganz normal, dass man hier und dort einen Sponsor finden muss - sprich einen Menschen, der irgendwo zwar erst Geld gestohlen hat, danach aber eine Wohltat unterstützen möchte. Was wird jedoch aus so einer "Wohltat", die mit solchem Geld finanziert wird? Daher all diese moralische Schieflage.

Das Entscheidende ist aber, dass die Menschen innerlich weniger gesammelt sind als früher. In Charkov gibt es immer weniger Menschen, die einer Arbeit nachgehen. Man hört gänzlich auf zu arbeiten, sowohl physisch als auch mental.

Ein Unternehmer hat mir einmal erzählt, dass er über die Aussicht, was aus unserem Staat bald werden könnte, tief erschüttert war. Wenn jetzt alle aufhörten zu arbeiten, würde es bald entweder Krieg oder eine unermessliche Katastrophe geben. Weil er mit Entsetzen festgestellt hat, dass inzwischen kaum einer richtig arbeitet - weder die Jüngeren, noch die Unterschicht, auch nicht die Führungsschicht. Dass jetzt alle bloß aus einer Gewohnheit heraus leben, in dem Versuch irgendeinen Rhythmus im Leben aufrechtzuerhalten.

Und insbesondere merken die Menschen das nicht, weil alle so leben. Heutzutage leistet man entweder Schwerstarbeit oder schlägt die Zeit tot durch etwas anderes. Danach kommt die "Freizeit", wo man sich einfach mit vollem Bauch auf das Sofa legen kann und so die Zeit verschwendet. Das heißt, die Menschen haben weder ein richtige Verständnis von Arbeit noch von Freizeit.

Deswegen hören die Menschen auf, das Leben zu fühlen - dass man einen guten und interessanten Job haben kann und dass man seine Freizeit nützlich gestalten kann. Und wenn alle um sie herum so leben, beginnen die Menschen das als normal zu sehen.

So begreifen sie auch nicht, warum man im Westen so viel Geld verdient - weil man dort viel arbeiten muss. Manche meinen: "Ich gehe nicht in den Westen, weil ich es nicht schaffe werde, da zu arbeiten. Ich werde da nichts machen können".

Die Menschen haben die Gewohnheit verloren zu arbeiten. Sie haben dieses alltägliche Gesammeltsein verloren - das Gesammeltsein darin, dass man täglich arbeitet. Ohne zu differenzieren, was leicht und was schwer ist. Ohne daran zu denken, ob man gleich heute etwas dafür bekommt. Dieses Gesammeltsein ist verlorengegangen.

Und nur dann, wenn in einem Menschen das Gesammeltsein vorliegt, wird er irgendwelche Ergebnisse verwirklichen können.

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