Die Motte und das Zen
Die Verhaltenslinie des Praktizierenden

Wenn jemand versuchen wird, euch in etwas hereinzuziehen, müsst ihr solchen Versuchen sofort ausweichen. Man wird euch unterschiedlichste Spielregeln aufzwingen, jedoch solltet ihr dem wieder und wieder ausweichen. Deshalb, wenn jemand möchte, dass ihr so oder so werdet, solltet ihr dem ausweichen und ihr selbst bleiben. Beispielsweise meint jemand, dass ihr, wenn ihr praktiziert, immer Vegetarier sein müsst, oder durchgeknallt, oder umgekehrt heilig, oder sonst noch jemand. Aber ihr müsst weder so noch so sein, ihr müsst keinen fremden Vorstellungen darüber entsprechen. Ihr könnt ihr selbst sein. Dies kann mit Vorstellungen von irgendjemandem überstimmen oder auch nicht. Das Wichtigste ist es, Situationen zu meiden, in denen jemand versuchen wird, euch seine eigenen Vorstellungen aufzudrängen. Natürlich können Leute unterschiedliche Meinungen über euch oder eure Leben haben. Jemand wird das begrüßen, was ihr tut, und jemand anders wird sagen, dass es schlecht ist. Aber das bedeutet nicht, dass ihr den Vorstellungen von irgendjemandem entsprechen müsst. Wenn jemand versuchen wird, euch irgendwie einzuordnen - dass ihr so oder so seid - solltet ihr nicht in diese Falle tappen. Man darf niemandem das Recht geben, auf diese Weise zu handeln. Dann wird es ausschließlich eure Leben sein und nicht von jemandem sonst. Aber wenn ihr selbst versucht, das mit anderen Leuten zu machen, begebt ihr euch sofort in eine Abhängigkeit. Weil ihr dadurch einen Anlass zum Angriff gebt. Kein anderer Mensch ist verpflichtet, euren Vorstellungen über ihn zu entsprechen und so zu leben wie ihr möchtet.

Deshalb, wenn jemand beginnt, euch in sein Spiel hereinzuziehen, indem er sagt, dass ihr so oder so seid, müsst ihr diesem Versuch sofort ausweichen. Ihr seid nicht verpflichtet, so oder so zu sein. Lasst die Menschen ihre Probleme selbst lösen. Wenn ihr sogar seht, dass jemand Hilfe braucht, bedeutet es ja noch nicht, dass er um Hilfe bitten wird. Es gibt Menschen, die es mögen, sich selbst zu quälen, und sie brauchen keine Hilfe von irgendjemandem. Sie mögen es, unter den eigenen Problemen zu leiden und sie wollen nicht nach fremder Hilfe suchen. Warum sollte man versuchen, einem solchen Menschen etwas gegen seinen Willen anzubieten? Wenn man euch um Hilfe bittet, helft ihr euren Möglichkeiten entsprechend, wenn aber niemand um Hilfe bittet, werdet ihr auch niemandem Hilfe anbieten. Wenn ihr seht, dass ein Mensch tatsächlich praktizieren will, helft ihr ihm euren Kräften entsprechend. Wenn jedoch seinerseits keine solche Bitte erfolgt, helft ihr nicht. Eine Bitte muss nicht unbedingt in Worten ausgedrückt werden. Bestimmte Menschen haben niemals kluge Bücher gelesen und kennen keine derartigen Worte und Begriffe. Eine Bitte kann manchmal schweigsam sein. Andererseits gibt es auch viele Menschen, die sagen: "Wie wollen praktizieren, wir habe das ganze Leben davon geträumt" - aber tatsächlich brauchen sie das nicht. Die Menschen bitten darum nur aus reiner Neugier.

Die Hilfeleistung muss euren Möglichkeiten entsprechen. Wenn ihr über eure Möglichkeiten hinaus helft, könnt ihr ans Ende eurer Kräfte gelangen. Andererseits solltet ihr nicht einfach irgendwie helfen. Falls ihr fühlt, dass ihr noch genug Kraft habt, um einem Menschen zu helfen, sollte man dies tun. Man sollte immer dieses Maß fühlen. Wenn ihr das fühlt, dann erschöpft ihr euch nicht und verliert nichts. Um das Maß jedoch zu fühlen, braucht man eben die Praxis. Deswegen ist Praxis nicht etwas theoretisches oder abstraktes, etwas, was Früchte irgendwo dort, im himmlischen Paradies, tragen wird. Praxis ist etwas, was unmittelbar jetzt angewendet wird. Wenn eure Praxis dermaßen vom Leben getrennt ist, dann ist es überhaupt keine Praxis, ihr schwebt einfach in den Wolken. Praxis ist etwas, was sich unverzüglich auf eures Leben auswirken wird. Und wenn eure Praxis in keiner Weise in Erscheinung tritt, dann praktiziert ihr womöglich überhaupt nicht - ihr schläft einfach.

Deswegen entstehen auch zwischenmenschliche Konflikte, weil die Menschen nicht die spirituelle Kraft besitzen, diesen Konflikten zu widerstehen. Widerstehen, um es nochmals zu betonen, nicht durch Kämpfen, sondern dadurch, dass man sich erst gar nicht hereinziehen lässt. Was wird das für ein spiritueller Kampf sein, wenn eine Organisation plötzlich anfängt, eine andere zu vernichten und zu verbieten? Der spirituelle Kampf besteht darin, dass Menschen wahres spirituelles Wissen anbieten, als Gegengewicht zum falschen. Wie kann man einem Menschen helfen? Man sollte keinen Zwang anwenden. Man sollte eine Alternative anbieten, zeigen, dass man anders leben kann. Dies so zeigen, dass der Mensch selbst die Alternative sehen kann. Viele Menschen wissen einfach nicht, dass man anders leben kann. Wenn ihr aber fordert "Lebe anders!", wird es Zwang sein. Lasst einen Menschen selbst die Wahl treffen, wenn er dies wirklich braucht. Und alles, was ihr tun werdet, ist nur eine Alternative anzubieten. Und in erster Linie werdet ihr sie durch euren persönlichen Beispiel, euer eigenes Leben anbieten. Dies wird den Menschen besser als alle Worte überzeugen. Wenn er sieht, dass ihr euch selbst geändert habt und auch anders handelt, wird es ihn am meisten anziehen.

Wenn ihr in Besitz der spirituellen Kraft kommt, fangen Konflikte an zu verschwinden. Es wird keinen Widerstand geben, denn ihr werdet gar nicht zulassen, dass man euch in diese Konflikte hineinzieht. Manche Menschen werden eine solche Freiheit nicht mögen. Manch einer wird nicht frei sein wollen; irgendjemand aus euren Verwandten und Bekannten wird sagen: "Lasst alles am besten wie früher sein". In diesem Falle wird es sich um Probleme der anderen Menschen handeln. Das werden deren Probleme sein: wenn sie abhängig bleiben wollen, dann bleiben sie abhängig. Ihr solltet vorerst zumindest eure eigenen Fragen klären. Deshalb können eure Verwandte und Bekannte natürlich sagen: "Lasst uns nichts ändern. Lasst alles so sein wie früher. Wozu sich ändern?". Das seid ihr selbst, die die Entscheidung getroffen habt, sich zu ändern, also ändert euch auch! Wenn jemand von euren Verwandten oder Bekannten dies nicht machen möchte, ist es deren Wahl, deren Recht.

Sollte irgendjemand die Absicht haben, euch für andere verantwortlich zu machen, oder zu versuchen, die Verantwortung von sich selbst auf euch überzuwälzen, solltet ihr dem ausweichen. Jetzt ist es sehr in die Mode gekommen, dass die junge Generation auf Kosten der Eltern lebt und ihre eigenen Kinder genauso großzieht. Im Großen und Ganzen versucht die ganze junge Generation so, sich übers Wasser zu halten. Aber warum müsst ihr fremde Verantwortung übernehmen? Denn das Verständnis der Menschen, dass dies lediglich Hilfe war, hört sehr schnell auf. Schnell sind sie der Meinung, dass man ihnen etwas schuldet und bis zum Lebensende verpflichtet ist. Warum macht ihr andere Menschen schwach und gewöhnt sie an eure Hilfe? Ihr schwächt die Position anderer Menschen, indem ihr ihnen Verantwortung nehmt. Wenn ein Mensch weiss, dass - egal was er anstellt - jemand das Problem lösen und alles kompensieren wird, wird er aufhören, etwas selbst zu versuchen. Seine Initiative verschwindet. So handeln Eltern sehr rücksichtslos ihren Kindern gegenüber. Eine neue Generation, die zu nichts selbständig fähig ist, wächst heran. Jetzt fordern sie von ihren Eltern, dass sie alles mittragen, später werden sie dasselbe von ihren Kindern fordern.

Angenommen, die Eltern tragen die Bildung der Kinder mit - dies ist normal. Im Prinzip sind die Verpflichtungen der Eltern damit getilgt. Und dann hängt es nur vom Kind selbst ab, wie sein Leben weitergeht. Selbstverständlich denken gescheite Eltern im Voraus darüber nach, welchen Weg sie ihrem Kind ermöglichen. Andere geben ihrem Kind die Möglichkeit, ein nutzloses Diplom zu erwerben, das man später nirgendwo gebrauchen kann - und die Kinder stehen vor dem nichts. So handeln keine gescheiten Eltern. Damit ist die elterliche Schuld aber getilgt: die Kinder müssen sich dann selbständig bewegen. Weitere Hilfe ist keine Verpflichtung mehr, sie wird nur Hilfe sein. Ihr könnt euren Kindern irgendwo helfen, aber ihr seid nicht verpflichtet, dies zu tun. Letztendlich wird es ja für euch selbst bequem sein, wenn eure Kinder bestimmte materielle Möglichkeiten haben werden. Wenn ihr mal selbst Hilfe brauchen werdet, werden sie euch helfen können. Wenn sie jedoch selbst nichts besitzen, dann wird alles nur von euch abhängen und in einem kritischen Moment werden sie für euch keine Stütze sein können. Deshalb seid ihr in erster Linie selbst daran interessiert, dass eure Kinder etwas erreichen. Und je früher ihr eine solche Abhängigkeit kappt, desto schneller werden sie dies tun.

Zurzeit sind viele Menschen materiell beschränkt, weil sie nicht arbeiten wollen. Sie wollen sich beispielsweise nicht umorientieren. Viele haben sich daran gewöhnt, wie früher auf einem Betrieb zu arbeiten: es ist garantiert, dass für einen gesorgt wird, dass das notwendige Geld aufgetrieben wird, dass eine Wohnung da ist - man muss sich über nichts Gedanken machen. Diese Position hat solche Leute geschwächt. Und das obwohl sich heutzutage die Lebensbedingungen für viele verbessert haben. In vielerlei Hinsicht gibt es mehr Freiheit. Musste man früher noch zehn, zwanzig Jahre oder sogar noch mehr warten, um eine Wohnung zu bekommen, kann man heutzutage innerhalb von wenigen Jahren genug Geld für eine eigene Wohnung verdienen. Für eine Wohnung, die man haben will, an einem Ort, wo man dies möchte; anstatt eine zu bekommen, die einem zugeteilt wird und zwar nur dort, wo eine verfügbar ist. Jetzt gibt es auch viel mehr Reisefreiheit als früher. Und auch sonst gibt es mehr Freiheit. Keiner belästigt euch und fragt: "Welche Weltanschauung haben Sie? Wie stehen Sie zu dem oder jenem?" Ihr könnt eure Meinung haben und die Gesellschaft drängt euch ihre Ideologie nicht auf. Früher, unter anderen Bedingungen, hätte diese Vorlesung vielleicht nicht mal stattfinden können, aber heutzutage kümmert das niemanden. Deshalb gibt es gerade jetzt viel mehr Möglichkeiten. Und selbstverständlich habt ihr dadurch mehr Verantwortung. Das Vorhandensein der Freiheit setzt immer eine Verantwortung voraus. Viele denken, dass die Freiheit, eben diese Spontanität, eine Art Chaos ist. Die Menschen haben davon aus den Büchern erfahren und denken: "Freiheit, Spontanität - dies ist Chaos". Was als erstes in den Sinn kommt, das tun sie denn auch. Dies ist jedoch wieder eine Abhängigkeit - eine Abhängigkeit von Wünschen und Gedanken. Das ist noch keine Freiheit. Freiheit setzt immer Verantwortung voraus: ein Mensch verantwortet seine Handlungen und eben deswegen tut er das, was er will.

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